Very Integrated Persons

Teija Taverna - Ein finnishces Naturwunder

Von der Tellerwäscherin, zur Kindergartenlehrerin, Schulrätin, zur selbstständigen Berufsfrau, diese Mutter von zwei erwachsenen Kindern hat die Schweiz zu ihrer Heimat gemacht.


Ich freue mich Teija Taverna vorstellen zu dürfen.  Ein finnisches Naturwunder

Ich fuhr zu Teija zwischen den Bergen. Ich fand ihr Toggenburger-Haus und wurde von einer sehr natürlichen Frau, mit einem Lächeln auf den Lippen empfangen.

 
Auf einem hölzernen Tisch in skandinavischen Stil neben einem antiken Buffet, erwartet mich der Kaffee. Finnische Kekse aus Kartoffeln und Mehl und ein Topf mit Kräuterbutter, haben meinen Namen  gerufen.
 
Für Teija haben sich im Laufe ihres Lebens verschiedene Türen geöffnet. Sie öffnete die erste Tür in der Schweiz als Restaurant Aushilfe. Eine andere Tür öffnete sich für sie als Kindergärtnerin, als Mutter, dann als  KMU Besitzer, und die nächste sogar als Schulrat. Sie hat die Türen geschlossen und andere geöffnet. Seit ein paar Jahren hat sie nun ihr eigenes Geschäft - Sanesse.
 
Wie hat Teija die Schweiz zu ihrem Zuhause gemacht? Leben Sie nach ihrer Philosophie und dann gehen für Sie die Türen auf.
 
Vicki
Haben Sie Antiquitäten gern, Teija? Sie lachte. War es so lustig?
 
Teija
Eigentlich, ja. Eines Tages fragte mich meine Nachbarin (das Haus und die Fenster sind sechs Meter entfernt)“ Magst du Antiquitäten? – Sie haben so viele!“ Ich dachte mir, dass  sie noch nie in meinem Haus gewesen ist. Nein, ich habe sie noch nie eingeladen, woher will sie das wissen?  Dann hat sie sich vertan, "Sie wissen, dass ich nicht in Ihr Haus luuga,  ich sehe es nur zufällig  von mir aus."
 
Vicki
Ich musste auch lachen. Jede Nachbarschaft  hat solche Nachbarn.  Und zwar nicht nur in der Schweiz.
 
Wie hat für Sie das Ausland-Abenteuer begonnen? Warum sind sie hier her gekommen?
 
Teija
Nach der Matura wollte ich eine Pause von der Schule machen.  Die Schweiz hat mich immer fasziniert. Eine Krankenschwester die in Zürich arbeitete hat gesagt sie kenne ein Paar in Nesslau wo ich arbeiten könnte. Ich war erst 16 und mein Vater hat da nicht mitgemacht.  Aber ich dachte: ok, wenn ich volljährig bin, gehe ich.  Und das tat ich. Mit 19 reiste ich nach Nesslau und habe acht Monate abgewaschen, Zimmer geputzt und serviert im Restaurant Germen. Für die Einheimischen bin ich eben ein Exot und sie reagierten neugierig auf mich.

Ich habe auch meinen Ex-Mann dort kennengelernt. Aber nach acht Monaten abwaschen, war ich wieder motiviert zu studieren und bin nach Finnland für weitere 3 Jahren Kindergartenstudium zurückgegangen.

Wir wollten zuerst in Finnland bleiben aber es gab wirtschaftliche Schwierigkeiten, deswegen sind wir wieder in der Schweiz, in Liechtensteig gelandet. Wir haben 1987 geheiratet.


Haben Sie schon Deutsch gesprochen?
Ja, Schuldeutsch. Ich habe fünf Jahren in der Schule Deutsch gehabt – ich habe hochdeutsch mittelmässig gesprochen. Aber nicht“ Schwyzerdütsch“. Ich habe nur blurrrrrrderup verstanden. Die ersten paar Monate im Service habe ich nicht einmal gewusst wo die Wörter in Schwyzerdütsch angefangen oder aufgehört haben. Ich habe hauptsächlich English gesprochen und konnte deshalb nicht mit allen Gästen sprechen.

Sprachliche Fauxpas
 
Gross Muul – Ich wollte einem Guggamusik- Mitglied sagen, dass er einen grossen Mund hat (im Sinne arrogant) und habe das „li „ dazu. Ich sagte „du bist ein Mühli“ oder  Maulesel. 


Kulturelle Missverständnisse / Sachen die Sie heute nicht verstehen
Sie & Du  - Stammgäste haben mich als Kind gesehen und mich mit „du“ angesprochen.  Aber am Sonntag kamen die Frauen dazu, ich sprach wie sonst schlagfertig  mit den Männern per „Du“.

Die Ehefrau eines Stammgastes hat mich dann belehrt, dass das ihr Mann ist und ich habe ihn mit „ Sie“ anzusprechen.
Wow, er ist älter als mein Vater, ich habe sicher keine Hintergedanken.  

Komisch fand ich, dass die Leute Geld von der Bank abgehoben haben und zur Post gingen um die Rechnungen  einzuzahlen – für mich komisch.


Was ich nie verstehen werde…
Wenn ein Nachbarn das Gefühl hat, dass meine Hecken zu hoch sind oder ich einen Baum zurückschneiden soll, warum ruft er nicht mich an, sondern die Gemeinde?

Ich hörte immer „hurra gut“. Ich fragte mich warum sprechen die Leute ständig über Prostituierte.


Was /Wer hat Ihnen den Weg erleichtert – Ihnen geholfen?
 
Die Wirtin, Dolly – sie ist wie meine Schweizer Mama geworden und wir haben heute noch Kontakt. Sie hat mich immer zu den Leuten raus geschickt – sie gab mir gar keine Ausweichmöglichkeiten. Das hat mir geholfen, ich musste einfach – ich wollte auch.
 
Donnerstags war das Restaurant geschlossen, sie und ihr Mann haben mich dann rumgeführt und die uralte Kultur der Schweiz gezeigt wie: Alter Silvester in Urnäsch oder die Alp Abfahrten im Toggenburg.


Was hast du für Schwierigkeiten /Herausforderungen auf dem Weg gehabt und wie hast di die gemeistert?
 
Ich bin nach dem Studium gekommen wegen meines Mannes, aber ich hatte keine Arbeitsbewilligung.

Wenn ich arbeiten wollte, konnte ich nur „schwarz“ arbeiten, denn man bekommt die  Arbeitsbewilligung erst wenn man einen  Job hat, und einen Job bekommt man nur mit Arbeitsbewilligung – ein Teufelskreis.


Nachdem wir geheiratet haben, bekam ich immer noch keine Stelle.
 
Ich habe mich geschämt, wenn ich eine Praktikantenstelle annehmen musste, ich habe die Matura und 3 Jahren Studium an der PH erfolgreich abgeschlossen und  es bedeutet nichts.  Ich dachte, ich bin ein Niemand,  ich bin nicht ausgebildet.  Das war ein grausamer Moment.
  
Vicki
Ich verstehe die unangebrachte Schande. Es ist schon ironisch; als ich  1985 in die Schweiz gekommen bin, hatten  unsere „Colleges“ nicht den gleichen Status wie die Universitäten hier. Jetzt, was machen Studenten?  Nach der Lehre oder der Matura  schliessen sie einem Bachelor ab.  Ist das nicht genau das Diplom mit dem wir unsere „Colleges“ abschliessen?
 
Teija
Dann dachte ich, ich muss einfach anfangen. Irgendwann geht eine Türe auf. Irgendwo lernst du die richtigen Leute kennen. Und so ist es auch gewesen.

Dann war ich an der Heilpädagogisch Fachschule in Wattwil als Praktikantin. Da war eine Deutsche als Kindergärtnerin die sehr lebhaft und integriert war. Wir waren befreundet.  Ich durfte eine Stellvertretung für sie übernehmen. Im Pausenraum wurde ich über einen Job im Schulheim Hochsteig gesprochen. Der Leiter, Herr Simon Egger  hat mir die Türen geöffnet.  Er sagte: „ Du hast bei mir einen Job, wenn deine Ausbildung anerkannt wird.“ Er hat meine Unterlagen nach St. Gallen geschickt und es wurde akzeptiert.
 
Nach der Geburt meiner Kinder haben wir einen Laden in Unterwasser übernommen.  Ich habe die Buchhaltung geführt, ausserdem war  ich Aktuar im Gewerbeverein.


Wie hast du dich integriert?
Ich bin mit den Kindern ins Muki-Turnen gegangen und habe Kinder aus der Nachbarschaft immer bei mir im Garten gehabt.  Vielleicht lag das an meiner Ausbildung als Kindergärtnerin.
 
Ich habe in vielen Vereinen mitgemacht:  Lutere Guggamusik in Nesslau, Frauenturnverein,  Skischule Unterwasser, Ludothek in Alt St. Johann, Gewerbeverein als Aktuarin,und auch in Kleintheater Chössi.


Vicki
Wow, wann schlaffst du?



Du bist nicht nur in vielen Vereinen involviert, du bist sogar in der Politik.  Du bist gewählt als Schulrat – nicht jede Ausländerin kann das von sich behaupten. Wie ist das zustande gekommen?

Ja, wir haben eine Situation gehabt, ich habe Unterschriften von den Eltern gesammelt. Aber auch nach mehreren Schreibungen hat der Schulrat nicht reagiert. 

Bei der Bürgerversammlung habe ich mich zu Wort gemeldet. Die einzige Rückmeldung war von einer Dame die mir vorgeworfen hat, dass ich mich nicht richtig benommen habe, weil ich nicht aufgestanden bin.  Danach kam jemand von der CVP auf mich zu und fragte mich, ob ich mich zur Wahl stellen würde. 

Ich habe sogar mehr Stimmen als mein einheimischer Gegner gemacht.  Das hat mir Sicherheit gegeben. Ich habe 2 Amtsperiode gemacht, bevor ich nach Ebnat Kappel umgezogen bin und deshalb zurück treten musste.  Wir waren ein super Team – es war eine schöne Zeit.
 
Auch dort bin ich ein Exot.  Ich habe eine Visitation angemeldet und der Lehrer sagte, „sorry Tejia, wir werden heute den Beachvolleyballplatz neu machen.“ Ich sagte:“ kein Problem!“ und bin dort aufgetaucht  und habe mitgeholfen zu schaufeln.  Er war überrascht und hätte Freude - er hat überall darüber erzählt. 

Hast du mit den Kindern Finnisch gesprochen?
Ja, aber die Kinder sind nach St. Gallen in die finnische Schule gegangen. Dort haben sie mehr über unsere Kultur und Sprache gelernt und auch unsere Feiertage gefeiert.

Manchmal fanden meine Kinder es so peinlich, dass ich eine andere Sprache gesprochen habe und sagten: „Mama du musst Deutsch sprechen.“

Lustig ist, dass mich im Dorf viele „äita“ nannten, das heisst Mama auf Finnisch.  Wenn die Kinder bei uns waren, haben sie mich gleich gerufen wie meine. Die Eltern haben es dann übernommen.
 
Vicki
Meine Kinder finden es peinlich das ich Deutsch spreche.


Woran haben Sie gemerkt, dass Sie hier „zu Hause“ sind?- „Aha“ Momente
Die Pünktlichkeit.  Ich bin in Finnland verabredet und die kamen 20 Minuten zu spät und das störte mich, da merkte ich, dass ich Schweizerin geworden bin.

Ich schätze meine Arbeit hier, meine Arbeitskollegen und Freundinnen. Obwohl ich viele internationale Freundinnen habe, zähle ich mehrere Schweizerinnen dazu.Und auch Finninnen natürlich.
 




 
Was gefällt dir am besten an deinem neuen Zuhause?
Natur – der Vielfalt
Kurzen Distanzen
Vielfalt der Pflanzenwelt
Das Klima – innert kurzer Zeit von Sommer in den Winter und umgekehrt
Politisches System – jeder Bürger kann nach eigener Kraft was ändern. Sie können Unterschrift sammeln, Anliegen zur abstimmen bringen, ein Amt ausüben.
 

Was vermisst du am meisten von deiner Heimat?
Ich habe immer noch die Verbindung zu Finnland, durch mein Elternhaus, das ich geerbt habe. Ich habe auch ein Geschäft  dort und führe Kurse durch.
 

Nach alle den Jahren hast du dich umgeschult und hast eine eigene Firma gegründet.
Ja ich habe eine Firma die heisst Sanessa – Gesundheitsförderung (www.sanesse.ch). Ich biete Ernährungsberatung und  Sport Massagen an und jetzt habe ich mit Fasten angefangen. 
 
Nach all den Jahren bin ich immer noch der Exote. Nach einer guten Ausbildung als Kindergärternin wollte ich noch mehr, wollte mich ändern und wachsen.  Das mache ich  heute noch, wenn irgendwo  eine Türe auf geht.
 

Vielen Dank Teija.  Liebe Leser(innen), Ich hoffe das auch Sie, wieTeija ein Schritt nach den anderen machen, um Türen zu öffnen.

Copyright Vicki Gabathuler 2016


 

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